Der europäische Gerichtshof schwächt freie werkstätten
Betrifft Euch dieses Urteil des EuGH im Arbeitsalltag?
- Nein, wir wissen wo wir unsere Infos herkriegen – da brauchen wir die Fahrzeug-Hersteller nicht. (50%)
- Ja, uns fehlt der komplette Zugang zu Informationen von den Herstellern um bestmöglich arbeiten zu können. (50%)

Im Streitfall zwischen dem Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und dem Autohersteller KIA über den uneingeschränkten Zugriff auf Ersatzteil-Datenbanken für freie Werkstätten schlägt sich der Europäische Gerichthof (EuGH) auf die Seite des Herstellers KIA. Damit scheitert die Grundsatzklage, die freie Werkstätten in ganz Europa hätte stärken können. Dies bedeutet letztlich für den gesamten Kfz-Reparaturmarkt in Europa weniger Transparenz, weniger Wettbewerb und höhere Preise für den Kunden.
Hintergrund:
Aktuell können freie Werkstätten über kostenpflichtige Internetportale die Original-Ersatzteile für Fahrzeuge einsehen. Eine Weiterverarbeitung der Daten ist derzeit nicht möglich.
Darin sieht der GVA eine Wettbewerbsbeschränkung, da alternative Teile nicht ohne weiteres zuzuordnen sind und daher die Original-Ersatzteile der Hersteller bevorzugt werden. Daher forderte der GVA besseren Zugang zu den Daten, damit Großhändler diese verarbeiten und mit alternativen Teilelisten ergänzen können.
Werden freie Werkstätten durch dieses Urteil geschwächt?
Welche Meinung vertreten die einzelnen Stellen?
Europäischer Gerichthof: Freie Werkstätten werden nicht diskriminiert.
Der EuGH verweist bei seiner Entscheidung auf das geltende Recht, dass lediglich sichergestellt werden muss, dass die Automobilindustrie freien Händlern sowie Vertragshändlern und -werkstätten dieselben Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, welches entsprechend eingehalten werde (Rechtssache C.527/18).
Die Daten werden allen Marktteilnehmern in gleicher Form zugänglich gemacht, somit würde kein Marktteilnehmer bevorzugt oder geschwächt.GVA: Freie Werkstätten werden diskriminiert.
In der Vorinstanz gab das Landgericht Frankfurt dem Verband in derselben Sache gegen Kia Recht. Umso erschütternder ist nun das Urteil des EuGH. Der Verband beklagt, dass Hersteller wie KIA den Wettbewerb auf dem freien Ersatzteilmarkt behindern. “Ein positives Urteil wie es vorinstanzlich das Landgericht Frankfurt in der Sache gefällt hatte, hätte den Wettbewerb im Kfz-Ersatzteilmarkt im Interesse der Verbraucher gestärkt. Wir werden das Urteil noch genauer analysieren.”, so ein Sprecher der GVA.
Verbraucherschützer: Freie Werkstätten werden diskriminiert.
“Die Entscheidung des EuGH hilft Autoherstellern und stellt freie Werkstätten und Händler schlechter. Dies schadet den Verbrauchern.”, stellte Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband klar und bezieht so eine klare Position. Der freie Zugang zu Ersatzteil-Informationen der Hersteller hätte den Wettbewerb gefördert und zu sinkenden Preisen für freie Werkstätten und deren Kunden geführt. „Für die Fahrzeugbesitzer ist dies ein Rückschlag.“
Was sind die folgen für freie werkstätten?
Freien Werkstätten werden weiterhin nur eingeschränkt auf die bereitgestellten Informationen der Fahrzeughersteller zugreifen können.
Das hat zur Folge, dass das Auffinden von alternativen Ersatzteilen erschwert und anteilig möglicherweise sogar unterbunden wird. In einigen Fällen müssen freie Werkstatt und Kunde dann sicher in den sauren Apfel beißen und das Originalersatzteil verbauen, obwohl es qualitativ gleichwertige, preisgünstigere Lösungen gäbe.
Dadurch steigt zudem der Verwaltungsaufwand , weil die Recherche von passenden, günstigeren Ersatzteilen einen Mehraufwand darstellt.
gibt es noch hoffnung für freie werkstätten?
Freie Werkstätten dürfen hoffen. Denn am 01.09.2020 tritt eine neue Richtlinie in Kraft, welche den Zugang zu allen Reparatur- und Wartungsinformationen neu regelt.
Unabhängig von der aktuellen Klage, hatten die EU Staaten und das Europaparlament bereits 2018 entschieden, dass Fahrzeughersteller künftig ihre Datensätze in elektronisch verarbeitbarer Form zur Verfügung stellen müssen.
Ab dem 01.09.2020 soll die Richtlinie in Kraft treten und das neue Gesetz gelten.
Läuft alles wie geplant, wäre damit das Thema vom Tisch und für Transparenz auf dem Ersatzteilmarkt gesorgt. So würde freien Werkstätten die Arbeit deutlich erleichtert. Zudem würde der Wettbewerb auf dem Ersatzteilmarkt für Autofahrer gefördert, so dass einfacher alternative Ersatzteile verbaut werden könnten.