Bürokratisierung: Ein Hemmschuh für freie Werkstätten

Bürokratisierung: Ein Hemmschuh für freie Werkstätten

Ob Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Arbeitszeiterfassung, Geldwäschegesetz oder GoBD-konforme Geschäftsprozesse – in Deutschland gibt es zahlreiche bürokratische Hürden für freie Werkstätten, die viel Zeit und Nerven kosten. Was steckt hinter diesen Maßnahmen? Wie lässt sich der Mehraufwand stemmen? Welche Möglichkeiten gibt es, die Hürden zu überwinden?

SERMA-Zertifikat

Worum geht es?

Um über Diagnosegeräte weiterhin Zugang zu diebstahl- und sicherheitsrelevanten Wartungsinformationen zu bekommen, müssen freie Werkstätten ab dem 1. April ein SERMA-Zertifikat abschließen. Diese Informationen betreffen beispielsweise die Wegfahrsperre eines Fahrzeugs. Für eine Wartung und Reparatur der betroffenen Bestandteile müssen ab dem Stichtag die entsprechenden Diagnoserechte über das Zertifikat freigeschaltet werden. Bei SERMA (security related repair and maintenance authorisation) handelt es sich um eine Konformitätsbewertungsstelle, die eine Zugangsberechtigung zu diebstahl- und sicherheitsrelevanten Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) erteilt. Das Prüfverfahren erfolgt gemäß dem SERMI-Schema.

Inhaltsverzeichnis

Welchen Nutzen habe ich davon?

Mit dem Zertifikat wird sichergestellt, dass die registrierten Werkstätten die notwendigen Standards erfüllen – dazu gehören unter anderem die Fähigkeit zur Fehlerdiagnose sowie die Codierung und Programmierung von Fahrzeugen verschiedener Hersteller. Durch die Einhaltung der Standards sollen Werkstätten ihre Effizienz steigern und eine höhere Kundenzufriedenheit sicherstellen können.

Wie werden die Anforderungen umgesetzt?

Ab dem 01. April 2024 müssen Werkstätten registriert sein, um weiterhin vollumfänglich auf Fahrzeugdaten zurückgreifen zu können. Seit dem 15. Februar ist das Anmeldeportal geöffnet, sodass Sie sich rechtzeitig auf die Umstellung ab Anfang April vorbereiten können. Die Voraussichtlichen Kosten für die Zertifizierung liegen bei 249 € jährlich pro Werkstatt plus jeweils 50 € pro Mitarbeiter im Betrieb, der Zugriff auf die Daten erhalten soll.

Tipps für die Umsetzung

  • Überlegen Sie vorab, wie viele bzw. welche Mitarbeiter Zugriff auf die Diagnosedaten erhalten sollen.
  • Für die Anmeldung benötigen Sie Ihre Gewerbeanmeldung, den Handwerksrolleneintrag bzw. die Handwerkskarte, bei vorhandenem Eintrag einen aktuellen Auszug aus dem Handelsregister, einen aktuellen Auszug aus dem Gewerbezentralregister, die Bestätigung einer Haftpflichtversicherung, Angaben über die zu autorisierenden Mitarbeiter inklusive Führungszeugnis.
  • Zulassung und Autorisierung sind für insgesamt 5 Jahre bzw. 60 Monate gültig.
  • Alle autorisierten Mitarbeiter erhalten nach Freigabe ein personalisiertes, elektronisches Zertifikat über eine App direkt auf ihr Smartphone.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Worum geht es?

Die DSGVO gilt seit Mai 2018 und regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten. Freie Kfz- und Nfz-Werkstätten verarbeiten hauptsächlich die Daten von Mitarbeitenden und Lieferanten sowie Kunden- und Fahrzeugdaten, die im Rahmen von Kfz-Dienstleistungen anfallen.

Das sind die Anforderungen an Kfz- und Nfz-Werkstätten:

  • Gehen mehr als 10 Personen regelmäßig mit personenbezogenen Daten um, muss ein Datenschutzbeauftragter ernannt werden. Dazu zählen nicht Mechatroniker, die lediglich via OBD-Schnittstelle die Fehlerspeicher der Fahrzeuge auslesen.
  • Aufgrund der regelmäßigen Verarbeitung personenbezogener Daten muss ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten geführt werden.
  • Es bestehen Informations- und Auskunftspflichten.
  • Nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten müssen die Daten gelöscht werden.
  • Es muss ein Vertrag zur Auftragsverarbeitung mit dem Hosting-Anbieter sowie dem IT-Support-Dienstleister geschlossen werden.
  • Datenschutzverletzungen müssen bei relevanten Risiken gemeldet werden.

Welchen Nutzen habe ich davon?

Das Datenschutzgesetz sorgt dafür, dass personenbezogene Daten sensibel behandelt und vor Missbrauch geschützt werden. Dazu gehören beispielsweise auch Kontodaten und Personalakten. Grundsätzlich ist die Verordnung also eine gute Maßnahme, die ja nicht nur für Werkstätten gilt, sondern innerhalb der EU alle Bürger vor Missbrauch ihrer Daten schützt.

Wie werden die Anforderungen umgesetzt?

Das Unternehmen selbst ist für die korrekte Umsetzung der DSGVO verantwortlich – die Aufgabe bleibt also letztendlich an der Geschäftsführung hängen. Die Grundsätze der sogenannten Rechenschaftspflicht sind dabei Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben sowie Transparenz.

Ausführliche Informationen zur DSGVO gibt es in einer Broschüre beim BfDI (Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit).

Bei der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. kann eine Printausgabe von Die DSGVO – Hinweise für kleine und mittlere Unternehmen bestellt werden.

Tipps für die Umsetzung

  1. Überblick verschaffen: Informieren Sie sich über Ihre Pflichten in Sachen Datenschutz, denn die Haftung und damit auch die Verantwortung liegt bei der Unternehmensführung.
  2. Stellen Sie Datenschutzerklärungen bereit, um Ihrer Informationspflicht nachzukommen. Das sind zum einen die allgemeinen Datenschutzhinweise für Ihre Geschäftstätigkeiten, zum anderen Datenschutzhinweise für alle online-Tätigkeiten wie beispielsweise die Unternehmens-Website.
  3. Klären sie ab, ob Ihr Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten Unter diesem Link finden Sie eine Liste mit den Anschriften der Datenschutz-Aufsichtsbehörden sowie online-Formulare zur Meldung eines Datenschutzbeauftragten: https://www.bfdi.bund.de/DE/Service/Anschriften/anschriften_table.html
  4. Beauftragen Sie Dritte mit Tätigkeiten, bei denen diese mit personenbezogenen Daten Ihres Unternehmens in Berührung kommen (z. B. IT-Dienstleister oder Entsorgungsunternehmen)? Dann müssen Sie einen sogenannten Auftragsverarbeitungsvertrag abschließen. Am besten verschaffen Sie sich eine Übersicht und stellen eine Liste aller von Ihnen beauftragten Dienstleister an.
  5. Dokumentation strukturiert angehen: Für das zu führende Verarbeitungsverzeichnis können Sie zunächst eine Excel anlegen, in der Sie die Einzeltätigkeiten der verschiedenen Fachbereiche (Buchhaltung, IT, Personalabteilung etc.) erfassen und mit den wiederkehrenden Pflichtaufgaben ergänzen können. So haben Sie ein Grundgerüst für die weitere Dokumentation.
  6. Mitarbeiter schulen: Effektiver Datenschutz funktioniert nur, wenn alle ihn befolgen. Deshalb müssen Sie dafür Sorge tragen, dass alle Mitarbeiter wenigstens die Grundlagen des Datenschutzes kennen und einhalten. Idealerweise frischen Sie mindestens einmal jährlich den Wissensstand gemeinsam auf.
  7. Hilfe holen: Wenn Sie feststellen, dass Sie allein mit der Umsetzung überfordert sind, holen Sie sich Hilfe. Es gibt zahlreiche Dienstleister, die sich auf Datenschutz spezialisiert haben.

Arbeitszeiterfassung

Worum geht es?

Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 sind Unternehmen verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten mit einem verlässlichen, objektiven und zugänglichen Zeiterfassungssystem zu dokumentieren. Seit 2023 ist die elektronische Zeiterfassung Pflicht und Arbeitgeber müssen die korrekte Arbeitszeiterfassung sicherstellen und Nachweise bereithalten. Auch wenn flexibles Arbeiten auf Vertrauensbasis weiterhin möglich ist, muss auch Vertrauensarbeitszeit korrekt erfasst werden.

Welchen Nutzen habe ich davon?

Die verpflichtende Arbeitszeiterfassung hat sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Vorteile, denn so haben Mitarbeiter und Vorgesetzte die geleisteten Arbeitszeiten sowie die Urlaubsplanung immer im Blick. Arbeitgeber können prüfen, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten eingehalten werden und bei Bedarf einschreiten. Arbeitnehmer behalten die Übersicht, ob Arbeitszeiten korrekt abgerechnet und Überstunden erfasst wurden.

Wie werden die Anforderungen umgesetzt?

Für die elektronische Erfassung der Arbeitszeit gelten verschiedene Übergangsfristen. In Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeitende beschäftigen, beträgt die Übergangszeit fünf Jahre. Bei Betrieben mit maximal zehn Mitarbeitenden ist die Zeiterfassung in Papierform weiterhin ausreichend.

Bei der digitalen Arbeitszeiterfassung müssen folgende Zeiten dokumentiert werden:

  • Beginn und Ende der Arbeitszeit
  • Pausenzeiten
  • Überstunden

Tipps für die Umsetzung

  1. Stellen Sie klare Regeln Am besten halten Sie schriftlich fest, welche Regeln im Bezug auf die Zeiterfassung für Ihre Mitarbeitenden gelten. So schaffen Sie Transparenz und Verbindlichkeit, damit sich alle daran halten können.
  2. Delegieren Sie die Zeiterfassung an Ihre Mitarbeiter und kontrollieren Sie die Einhaltung Stichprobenartig.
  3. Elektronische Zeiterfassungssysteme nutzen: Digitale Systeme sind weniger fehleranfällig und manipulierbar als eine Excel-Tabelle. Hier stellen wir Ihnen als Beispiel das Tool crewmeister
  4. Einfache Strukturen nutzen: Je komplexer die Zeiterfassung, desto weniger sind die Mitarbeiter motiviert, diese korrekt auszuführen und es schleichen sich schlimmstenfalls Fehler ein. Einfache Systeme hingegen sind leicht zu bedienen und die tägliche Zeiterfassung läuft selbstverständlich und ganz „nebenbei“.

Geldwäschegesetz (GwG)

Worum geht es?

Das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten soll die sogenannte Geldwäsche verhindern. Unter Geldwäsche versteht man das Einschleusen von illegal erwirtschafteten Vermögenswerten in den legalen Wirtschaftskreislauf, also die Verschleierung der Herkunft von Einnahmen. Unternehmen sind verpflichtet, Auffälligkeiten in ihren Geschäftsbeziehungen zu überwachen und in bestimmten Fällen Informationen über die Identität ihrer Vertragspartner einzuholen und zu dokumentieren (Know your Customer-Prinzip = Kenne Deinen Kunden). Wer gewerblich mit hochwertigen Gütern wie Kfz- und Nfz-Fahrzeugen handelt, gehört gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 16 GwG zu den verpflichteten Unternehmen – dadurch sind auch viele freie Werkstätten betroffen.

Welchen Nutzen habe ich davon?

Das Geldwäschegesetz schützt Unternehmen davor, für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden. Denn die Unternehmen haben in der Regel keine Kenntnis davon, dass sie für die Zwecke der Geldwäsche instrumentalisiert werden. Ein solcher Missbrauch kann schlimmstenfalls den Ruf eines Betriebs schädigen und seine Existenz bedrohen.

Wie werden die Anforderungen umgesetzt?

Betroffene Kfz- und Nfz-Betriebe müssen sich seit dem 01. Januar 2024 im elektronischen Meldeportal der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) registrieren. Hier werden gegebenenfalls Verdachtsfälle gemeldet. Wer Bargeldgeschäfte mit Summen über 10.000 Euro tätigt, muss außerdem weitreichende Sorgfalts- und Identifikationspflichten erfüllen.

Tipps für die Umsetzung

  • Wenn Sie beim Handel mit gebrauchten Fahrzeugen mehr als 10.000 Euro für ein Fahrzeug in bar entgegennehmen, müssen Sie gesonderte Sorgfalts- und Identifikationspflichten erfüllen. Da dies einen enormen Mehraufwand bedeutet, der sich kaum stemmen lässt, sollten Sie solche hohen Beträge nicht als Barzahlung akzeptieren.
  • Auch eine Splittung des Zahlungsbetrages in mehrere Einzelbeträge unter 10.000 Euro entbindet Sie nicht von Ihren Pflichten und kann einen Verdachtstatbestand begründen. Daher ist hiervon ebenfalls abzuraten.
  • Wenn Sie sich dafür entscheiden, Bargeldgeschäfte über 10.000 Euro durchzuführen, sind Sie verpflichtet, eine interne Risikoanalyse durchzuführen, interne Sicherungsmaßnahmen zu treffen sowie einen Geldwäsche-Beauftragten zu bestellen.
  • Schulen Sie Ihre Mitarbeiter hinsichtlich der Geldwäscheprävention, damit diese Verdachtsmomente erkennen und Ihnen entsprechend melden.
  • Sollte es zu Verdachtsmomenten im Geschäft mit Ihren Kunden kommen, müssen Sie diese umgehend and die FIU melden. Verdachtsmomente können z. B. Zweifel an den Angaben des Kunden oder der Echtheit von Dokumenten sein. Der deutsche Zoll stellt umfangreiche Informationen rund um die Meldung bereit.
  • Weitere Informationen über die FIU gibt der BfDI (Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit).

Wie denken Sie über die zahlreichen bürokratischen Aufwände in Ihrem Arbeitsalltag? Was ist sinnvoll, was raubt Ihnen nur wertvolle Zeit? Und wie lässt sich das alles wuppen? Diskutieren Sie mit bei unserem Werkstatt-Stammtisch am 20.02.2024!

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